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Clint Eastwood: Für eine Handvoll Oscars

Foto: Corbis

80 Jahre Clint Eastwood Minimalist mit Magnum

Vom großen amerikanischen Gesicht zum großen amerikanischen Geschichtenerzähler: Clint Eastwood machte wortkarge Gunslinger und verbitterte Cops zu Ikonen des Kinos. Heute bricht er als Regisseur die Mythen, die er einst selbst verkörperte.

Es gibt in Hollywood keine zweite Karriere wie die von Clint Eastwood, jenem späten Universalgenie, das sich vom namenlosen Gunslinger in den italienischen Westernfieberträumen der Sechziger zum Regisseur hochgearbeitet hat, der vom ewigen Werden und Vergehen der amerikanischen Gesellschaft berichtet.

In Hollywood hat man spät erkannt, was für ein Kinowunder sich da in all den Western- und Krimi-Genreproduktionen entwickelt hat. Erst für seine Wildwestdämmerung "Erbarmungslos" wurde Eastwood 1992, damals schon über 60, mit dem Oscar bedacht - als Regisseur. Ehrungen als Schauspieler sind ausgeblieben. Was wahrscheinlich auch daran liegt, dass man sein inzwischen ikonografisches Konterfei nicht als auszeichnungswürdig empfindet. Ist ja keine Leistung, ein Gesicht zu besitzen. Doch selbst im minimalistischsten Spiel liegt bei Eastwood ein unglaublicher Facettenreichtum.

Klar, berühmt geworden ist er als klassischer Gesichtsverleiher. Der Italiener Sergio Leone setzte den damals mäßig erfolgreichen TV-Schauspieler ab 1964 für seine "Handvoll-Dollar"-Trilogie bewusst als Maske ein, die ein amerikanisches Flair in seinen Spaghetti-Western bringen sollte: Tatsächlich wirkte Eastwood so schroff, schön, schlank und eben auch statisch wie einer dieser Felsblöcke im Monument Valley von Arizona, wo das klassische Hollywood viele Western gedreht hat.

Doch später entwickelte er aus eben dieser Statik heraus einen präzisen, komplexen und durchaus auch emotionalen Schauspielstil. Verantwortlich war dafür sein jahrelanger Hausregisseur Don Siegel. Der Gewaltexperte, der unter Action weniger crashende Autos als tückische Konfrontationsszenarien verstand, ließ ihn in Krimis wie der "Dirty-Harry"-Reihe zu einer ganz eigenen Schauspielsprache finden: Hinter den zu Schlitzen zusammengezogenen, blitzenden Augen lief das Gehirn von Eastwoods Charakteren offensichtlich auf Hochtouren, sein Körper war in ständiger Spannung gehalten.

Lieblingsrolle als Einzelgänger

Das musste er ja auch schon deshalb sein, weil Eastwood fast immer Figuren spielte, deren große Zeit schon abgelaufen war. In den Siebzigern waren seine Haudraufs zu konservativ für den Hippie-Mainstream, in den Achtzigern wirkte der sehnige Action-Held neben aufgepumpten Kollegen wie Arnold Schwarzenegger zeitweise komplett wie ein Relikt - was den Schauspieler allerdings nur umso virtuoser seine Lieblingsrolle des Einzelgängers ausfüllen ließ.

Denn wie die vielen alten Gunmen, die von ihrer Geschichte eingeholt werden, kehrte auch er immer wieder zu seinen alten Rollen zurück, brach sie auf - und beleuchtete dadurch die eigene und die amerikanische Geschichte gleichermaßen neu. Und das eben meist in Doppelfunktion als Schauspieler und Regisseur: Mit "Honkytonk Man" kehrte er 1982 als tuberkulöser Country-Sänger in die Zeit der großen Depression zurück, mit "Pale Rider" lieferte er 1985 eine erste Neubewertung alter Wildwest-Mythen.

Doch auch in Filmen, in denen er nicht selbst mitspielte, entwickelte er ein phantastisches Gespür für die blinden Stellen der US-Zivilisationsgeschichte - gerade in den vergangenen Jahren. Man nehme nur seine Weltkriegsszenarien aus amerikanischer und japanischer Sicht, "Flags Of Our Fathers" und "Letters From Iwo Jima" von 2006 und seine unterschätzte Todesstrafenreflexion "Der fremde Sohn" aus dem Jahr 2008. Da bewies der amerikanische Großkünstler, inzwischen schon weit jenseits der 70, wie man vergangene Epochen gleichermaßen schauwertträchtig und reflexionsmächtig rekonstruiert: Geschichte schläft nicht.

Nicht mal, wenn Eastwood für sich selbst ein vermeintlich kleines Starvehikel inszeniert wie vor zwei Jahren "Gran Torino". Als pensionierter Autobauer kämpft er von der Veranda im Vorort von Detroit gegen junge Gangs - und filmte doch mitten aus dem frisch verwaisten industriellen Herzlands Amerikas heraus. Dass einer wie er die Nation noch einmal retten könnte, das ironisierte er in der Rentner-Action dann doch stark: Als Rächer des guten alten Autobauer-Amerikas vereinte er noch mal alle seine Kämpfer in der Rolle - vom frühen "Dollar"-Killer über den "dirty" Cop bis zum "erbarmungslosen" Altschützen.

Mehr geht nicht, was sollte Eastwood jetzt noch spielen? "Gran Torino" soll sein letzter Auftritt vor der Kamera gewesen sein, ab jetzt will er nur noch dahinter agieren. Anlässlich seines 80. Geburtstag am 31. Mai haben wir deshalb noch mal in einer kommentierten Fotostrecke (bitte oben klicken) die markantesten Auftritte des Gesamtkunstwerks Clint Eastwood zusammengestellt.

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