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Fragile Dreams: Farewell Ruins of the Moon

Von der Schönheit des Vergänglichen

Trotz aller Tragik bewahrt sich Fragile Dreams aber auch einen feinen Sinn für Humor: Seto trifft immer wieder auf Katzen, mit denen er spielen kann. Und bereits nach kurzer Spielzeit findet er einen Personal Frame, eine weibliche künstliche Intelligenz, die Seto nach bestem Können hilft und sich einfach nur freut, endlich wieder mit jemandem reden zu können. Gerade diese Dinge sind es, die dem Spiel helfen, seine Balance zu halten und niemals in nihilistische Tristesse abzugleiten.

Im Vergleich zur faszinierenden Thematik und Präsentation gibt sich Fragile Dreams bei der Spielbarkeit ein paar Blößen. Zwar macht das Spiel nichts grundlegend falsch, aber hier und da hätte ein wenig mehr Feinschliff gut getan. Lästig sind vor allem die zahlreichen Zwangspausen an Feuerstellen. Dort könnt ihr einkaufen, eure Lebensenergie regeneriert sich und ihr speichert euren Spielstand, allerdings könnt ihr auch nur hier richtig euer Inventar verwalten, indem ihr Gegenstände aus eurem recht begrenzten Stauraum auslagert.

Euer stetiges Inventar orientiert sich stark an Capcoms „Resident Evil 4“ – platziert die Objekte klug, um auch sperrige Fundstücke noch unterbringen zu können. Leider ist das Inventar aber so klein geraten, dass es oft schnell mit von Gegnern fallen gelassenen Wertgegenständen gefüllt ist. Das einzige, was dann hilft, ist ein Treck zurück zum letzten Speicherpunkt, um die Fundsachen zu Geld zu machen. Das führt einerseits zu mehr Laufarbeit als nötig, andererseits wachsen sämtliche besiegten Gegner nach einem Besuch an der Feuerstelle wieder nach.

Seto erklimmt die Stufen des Tokyo Tower.

Das Problem dabei ist: All eure gefundenen Waffen sind zerbrechlich. Wann aber Holzstock, Hammer oder Bambus-Shinai tatsächlich in ihre Einzelteile zerfallen, hängt nicht von ihrer Abnutzung, sondern ganz allein von König Zufall ab. Zerbrochene Waffen könnt ihr zwar noch benutzen, richtet damit aber dramatisch weniger Schaden an. Entweder führt ihr stets eine Ersatzwaffe mit euch herum (die natürlich weiteren wertvollen Stauraum beansprucht) oder ihr wetzt erneut zum Speicherpunkt, um ein anderes Argumentierholz zu besorgen.

Zu dieser Gameplay-bedingten Laufarbeit kommen weitere Gewaltmärsche, die euch das Spiel direkt aufbürdet. Nicht selten müsst ihr bereits durchquerte Gebiete erneut aufsuchen, um dort nun eine Tür zu öffnen oder einen benötigten Gegenstand zu holen – über mangelnden Auslauf muss sich Held Seto keinesfalls beklagen. Recht generisch sind auch die Kämpfe ausgefallen. Ohne Lock-On-Funktion haut ihr schon gelegentlich mal daneben und müsst euch dann erst mühsam umdrehen, um den Gegner wieder ins Visier zu nehmen. Eine willkommene Ergänzung zum Action-Adventure-Prinzip sind dafür die Rollenspiel-Elemente. Ihr freut euch in regelmäßigen Abständen über Level-Ups und die damit verbundene Erhöhung von Lebensenergie und Kampfwerten. Da ist es auch nicht so lästig, einzelne Gegnergruppen mehrmals zu verhauen, zumal euch das auch die nötigen Ressourcen für neue Waffen einbringt.

Die Steuerung orientiert sich ein wenig an den alten Resident Evil-Episoden, funktioniert dank WiiMote aber ausgesprochen gut. Mit dem Nunchuk-Stick lauft ihr vorwärts, rückwärts und seitwärts, per WiiMote-Pointer legt ihr eure Blickrichtung fest. Gleichzeitig dazu bedient ihr so eure Taschenlampe. Ein in seinen Grundzügen vielleicht nicht mehr ganz aktuelles, aber allemal griffiges und zweckmäßiges Steuerungssystem, das sich gut mit dem Aufbau des Spiels und dem Tempo der Kämpfe verträgt.

Großartig – Der Kontrast zwischen der verfallenen Umgebung, dem einsamen Helden und dem wunderbaren Morgenrot.

Nach Eternal Sonata beweist Entwicklerteam Tri-Crescendo ein weiteres Mal sein Talent im Umgang mit ungewöhnlichen Stoffen. Gemeinsam mit Seto erlebt ihr eine faszinierend-melancholische Reise durch eine wunderschöne Ruinenwelt, ihr erfahrt vieles über das Schicksal der Menschen und seid stets auf der Suche nach anderen Überlebenden und dem Grund für die Katastrophe. Rein als Spiel betrachtet ist Fragile Dreams mit seinen kleinen Designfehlern, seiner ordentlichen Steuerung und einer Länge von zehn bis zwölf Stunden ordentlich, als Gesamterfahrung aber weit mehr als das.

Die spärlich eingesetzte, stimmungsvolle Musik, die sehr gelungene Sprachausgabe (wahlweise Englisch oder Japanisch) und die gut geschriebenen deutschen Texte machen Fragile Dreams zu einem der thematisch und inhaltlich spannendsten Spiele der letzten Monate. Fragile Dreams hebt sich grafisch und inhaltlich wunderbar von der großen Masse an Spielen ab. Anfangs mag uns Europäern das Konzept des „Mono no aware“ fremd erscheinen, aber je mehr Zeit wir mit Seto verbringen, desto größer wird auch unser Verständnis für seine Welt und die Schönheit des Vergänglichen.

Fragile Dreams: Farewell Ruins of the Moon ist ab sofort für angenehme 35 Euro für die Nintendo Wii erhältlich.

8 / 10

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Fragile

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Thomas Nickel

Autor

Fest in der 16Bit-Ära verwurzelt, lehrt der freie Autor Spielegeschichte an der Frankfurter Games Academy. Wird eher selten vor Ego-Shootern gesichtet.

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