Am Mittwochabend deutscher Zeit präsentierte Apple das iPhone 7 und die Menschen sind außer sich. Nicht nur, weil Super Mario, der schnauzbärtigste, blaumännlichste Klempner der Videospielgeschichte, demnächst auf dem iPhone hüpft und dessen Erfinder Shigeru Miyamoto dafür eigens nach San Francisco eingeflogen wurde. Nein, was einige wirklich fuchsig macht, ist die Entscheidung, keine 3,5-Millimeter-Klinkenbuchse für Kopfhörer in das neue iPhone zu bauen. Grund genug, die Debatte noch einmal wiederzugeben.

WTF Apple? Keine Kopfhörerbuchse mehr?

Echt jetzt, keine Kopfhörerbuchse mehr. Das war genau genommen aber seit Beginn des Jahres bekannt, weshalb die iPhone-Fans und Kritiker eigentlich genug Zeit hatten, sich auf diesen Moment vorzubereiten. Etwa indem sie die natürlich sofort aufgesetzte Onlinepetition bis ins Weiße Haus gebracht hätten. Aber es ist ja wie mit dem Kauf von Notvorräten oder dem Bundesligatitel für RB Leipzig: Das wird solange belächelt bis tatsächlich die Apokalypse kommt.

Aber der Klinkenstecker ist doch total praktisch!

Er ist vor allem ziemlich alt. Bereits zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde er für die Vermittlung in Telefonzentralen entwickelt und ist damit einer der ältesten elektrischen Standards. Damals hatte er noch einen Durchmesser von 6,35 Millimeter, den man noch immer in der Musikproduktion kennt und schätzt. In den Sechziger Jahren erschien die schlankere 3,5-Millimeter-Variante, die wir bis heute im Alltag nutzen. Vom Ghettoblaster zum Walkman, vom Gameboy zum Camcorder, von Smartphones zu VR-Brillen: Wo ein Audioanschluss ist, gibt es Klinkenstecker. Also ja, weil die Technik so weit verbreitet ist und auch kein Hersteller ein Patent darauf hält, ist sie tatsächlich ziemlich praktisch. In Apples Worten: It just works.

Wieso will Apple sie dann nicht mehr?

Das hat mehrere Gründe, behauptet Apple. Zum einen können die Ingenieure den Platz der Buchse im Gehäuse gut für andere Dinge gebrauchen. Für die neue Sensortaste im Homebutton etwa, die dem Nutzer haptisches Feedback vermittelt. Auch erleichtert ein Anschluss weniger, das iPhone 7 wasserdicht zu bauen. Wobei das andere Hersteller natürlich auch mit Klinkenbuchse hinbekommen haben. Zum anderen glauben die Verantwortlichen bei Apple, die klinken- und kabellosen Alternativen sorgen dafür, dass wir künftig zu viel besserem Sound schwofen können.

Klingt vor allem nach Bullshit.

Nicht unbedingt. Das Audiosignal auf einem Smartphone ist digital, muss aber bevor es über die Kopfhörer in die Ohren kommt, in ein analoges Signal umgewandelt und verstärkt werden. Das geschieht mit einem Verstärker und einem Digital-Analog-Converter, kurz DAC. Beide sitzen direkt im Smartphone, liefern aber sowohl aus Kosten- als auch Platzgründen solide, aber nicht immer beste Qualität. Es gibt aufgrund verschiedener Technik auch hörbare Unterschiede zwischen einem iPhone und, sagen wir, einem Samsung-Smartphone. Ein Lightning-Anschluss (oder USB) allerdings gibt das Audiosignal komplett digital an die Kopfhörer weiter. Es wird somit nicht mehr auf dem Smartphone umgewandelt, hochwertige Kopfhörer wie von Audeze oder Philips können das selbst und liefern somit einen mutmaßlich besseren Klang.

Äh ja, genau. Nochmal als tl;dr bitte?

Der Lightning-Anschluss im neuen iPhone liefert entsprechenden Kopfhörern sowohl Strom als auch digitale Musik. Die klingt im Idealfall besser als wenn sie über den analogen Klinkenanschluss kommt. Allerdings gibt es auch Befürchtungen, gerade in unteren Preisklassen könnte es Kopfhörer mit Digital-Analog-Wandlern geben, die schlechter sind als die im iPhone. Was ja dann doppelt beknackt wäre.

Kann ich den Unterschied überhaupt hören?

Sind wir ehrlich: Wie bei jeder Diskussionen über Klangqualität werden audiophile Menschen, die über ihr Smartphone hochwertige, verlustfreie Musik hören, behaupten, es sei ein großer Unterschied. Mag sein. Für die restlichen 99 Prozent aller iPhone-Nutzer, die Musik streamen und komprimierte Musik besitzen, YouTube-Videos gucken und mit ihren jetzigen Earplugs gut leben können, wird sich nicht viel ändern. Außer, dass sie künftig den entsprechenden Adapter, ein sogenanntes Dongle, mit sich herumtragen müssen. Und jeder liebt bekanntlich Dongles. Weil sie nie verloren gehen. Und nie nervig herunterhängen.

Also doch Bullshit.

Naja. Die Idee, im Jahr 2016 von einem analogen zu einem digitalen Standard zu wechseln, ist nicht abwegig. Wir erinnern uns: Es gab auch einen Moment, in dem Apple keine Diskettenlaufwerke mehr in seine Computer baute. Oder CD-Laufwerke. Oder Netzwerkanschlüsse. Vermissen wir sie wirklich? Eben. Und wer weder lästige Dongles noch Lightning-Kopfhörer nutzen möchte, kann auf kabellose Alternativen zurückgreifen. Wie erst vergangene Woche auf der Ifa in Berlin deutlich wurde, gibt es ohnehin einen Trend hin zu kabellosem Audio. In den USA wurden in diesem Jahr erstmals mehr kabellose als traditionelle Kopfhörer verkauft. Apple könnte diese Entwicklung beschleunigen.

Aber die Kopfhörer muss ich dann ständig aufladen. Als gäbe es nicht schon genug Dinge, die Strom von mir wollen.

Tjoa.

Und Lightning- oder Bluetooth-Kopfhörer funktionieren auch nicht mit alten Geräten.

Tjoa. Aber mit anderen Apple-Geräten. Merkste was?

Apple handelt gar nicht selbstlos im Auftrag besserer Klangqualität?

Jedenfalls nicht nur. Je mehr Kopfhörerhersteller auf den Lightning-Zug aufspringen, desto mehr profitiert am Ende auch das Unternehmen: Unter seinem MFi-Programm (Made for iPhone) lizenziert es beispielsweise Erweiterungen wie Kopfhörer und Mikrofone an Dritthersteller und verdient damit zusätzlich. Eigene Kopfhörer verkauft Apple zudem gleich zusammen mit dem iPhone 7.

Die AirPods.

Genau, die am Mittwoch vorgestellten AirPod-Kopfhörer sind einerseits ein Weg, den Kunden die kabellose Zukunft schmackhaft zu machen. Jedenfalls allen, die dafür 180 Euro zusätzlich ausgeben wollen und sich nicht daran stören, dass die AirPods ein wenig aussehen wie die Aufsätze von elektrischen Zahnbürsten. Andererseits will Apple damit schon einmal vorfühlen, wie smarte Kopfhörer, die nicht nur Audio abspielen können, sondern auch Mikrofon und Bewegungssensoren enthalten, bei Kunden und App-Entwicklern ankommen. Oder wie schnell sie in Sofaritzen und Handtaschen verschwinden. Oder wie Menschen ihrer Umwelt ohne baumelnde Kabel signalisieren, dass sie gerade nicht ansprechbar sind.

Apple, dieses kapitalistische Monster! Ich werde kein iPhone kaufen!

Es gibt ja auch gute Alternativen. Aber sei gewarnt: Manche Android-Hersteller und einflussreiche Unternehmen wie Intel überlegen bereits, die Klinkenbuchse zugunsten von USB-C abzuschaffen.

NoooooooOOO!