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Fehlende Investoren Quelle-Aus entsetzt Arbeitnehmer

Die Quelle-Rettung ist gescheitert, dem Deutschland-Geschäft droht die Abwicklung. Tausende Mitarbeiter bangen nun um ihre Jobs. Der Betriebsrat reagiert mit Wut und Trauer auf den Absturz des Traditionskonzerns - er spricht von einer "Riesenkatastrophe".
Quelle-Einkaufszentrum: Tausende Jobs in Gefahr

Quelle-Einkaufszentrum: Tausende Jobs in Gefahr

Foto: A3609 Daniel Karmann/ dpa

Nürnberg - Am Ende war alles vergebens: Der Massekredit über 50 Millionen Euro im Sommer, der gewährleistete, dass Quelle nach der Insolvenz der Mutter Arcandor vorerst die Geschäfte weiterführen konnte; die Verhandlungen, die Insolvenzverwalter Hubert Görg mit potentiellen Investoren geführt hat. Der Erfolg stellte sich nicht ein - jetzt steht der Versandhändler vor dem Aus.

Quelle Deutschland wird bald abgewickelt, und nach Angaben der "Financial Times Deutschland" (FTD) verlieren dadurch rund 7000 Menschen ihren Job. Am Dienstag sollen die Mitarbeiter am Standort Nürnberg darüber informiert werden, was die Abwicklung für sie selbst und für das Unternehmen bedeutet.

Arbeitnehmervertreter haben auf diese Entwicklung mit Bestürzung und Wut reagiert. "Das ist für die betroffenen Menschen und ihre Familien eine Riesenkatastrophe", sagte Quelle-Betriebsratschef Ernst Sindel am Dienstag. Der Handelsexperte der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Johann Rösch, nannte die geplante Abwicklung ein Desaster. Damit "stirbt ein Stück deutsche Handelsgeschichte", sagte er am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin".

Durch die Abwicklung von Quelle droht nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di fast allen Mitarbeitern der Verlust ihres Jobs. Der Insolvenzverwalter spreche von 1500 Mitarbeitern, das aber reiche "bei weitem nicht aus". Die Frage sei, was mit den Call-Center-Standorten passiere, wo rund 3500 Beschäftigte arbeiteten. Hinzu kämen das Logistik-Lager in Leipzig und mehr als 2000 Beschäftigte am Standort Fürth, erläuterte Rösch. Der Nachrichtenagentur dpa sagte er: "Wenn man alle zusammennimmt, sind das mehr als 6000 Mitarbeiter."

Rösch forderte die Politik auf, Lösungen für die Betroffenen zu finden. Diese müsse nun aktiv werden, um für Beschäftigung und Qualifizierung der ehemaligen Mitarbeiter zu sorgen. Weiter sagte der Gewerkschafter, dass Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg den Investorenprozess transparent machen müsse. Bis zuletzt habe es von ihm immer wieder positive Signale für eine Lösung gegeben.

Keine Offerte für die Quelle-Dachgesellschaft Primondo

Die insolvente Konzernmutter Arcandor hatte am späten Montag bestätigt, bis zum Ende der Angebotsfrist am Wochenende keine Offerte für die Quelle-Dachgesellschaft Primondo erhalten zu haben. "Nach 15 intensiven Verhandlungen mit einer Vielzahl von Investoren sehen der Insolvenzverwalter wie der Gläubigerausschuss jetzt keine Alternative zur Abwicklung von Quelle Deutschland mehr", sagte Görg. Daraufhin sei der Gläubigerausschuss informiert worden, dass die Verkaufsanstrengungen für Quelle Deutschland erfolglos waren.

Eine wesentliche Ursache für das Scheitern der Quelle-Verkaufsgespräche war nach Angaben Görgs, dass die notwendige Einigung über das sogenannte Factoring nicht zustande kam. Dabei geht es um die Finanzierung des Versandgeschäfts. Beim Factoring gibt Quelle die Kundenforderungen gegen Provision an eine Bank weiter, die die offenen Beträge im Gegenzug vorfinanziert.

Ein weiterer wichtiger Streitpunkt war die künftige Ausrichtung des Vertriebs. Alle potentiellen Bieter hätten die Aufgabe der rund 1.450 Quelle-Shops gefordert, die für das Unternehmen die Bestellungen sammelten und stets ein kleines Warensortiment vorrätig hatten, erklärte Görg. Die Bieter wollten stärker auf das Internet setzen. Görg selbst hatte nur ein Drittel der Quelle-Shops und die 109 Quelle-Technik-Center schließen wollen.

Lukrative Spezialversender als Lockvögel

Zu den aussichtsreichsten Interessenten für Quelle zählte laut "FTD" der US-Finanzinvestor TPG, der viel Erfahrung im Einzelhandel mitbringt. Demnach bot auch der Finanzinvestor Golden Gate mit, jedoch nur für den Shoppingsender HSE24. Der Investor Cerberus verhandele zwar weiter mit dem Insolvenzverwalter. Ein Sprecher habe aber nicht sagen wollen, worüber. Der Investor Sun Capital, dem der Quelle-Rivale Neckermann gehört, habe sich bereits zuvor aus dem Verkaufsprozess zurückgezogen, ebenso der Quelle-Erzrivale Otto.

Görg jedenfalls ist mit seinem Plan gescheitert, den hochdefizitären Quelle-Versand im Verbund mit lukrativen Spezialversendern wie Baby-Walz zu verkaufen. Noch am Wochenende habe der Insolvenzverwalter von vier Interessenten gesprochen. Jedoch habe letztlich niemand das unter der Dachgesellschaft Primondo zusammengefasste Versandgeschäft komplett übernehmen wollen.

Das gesunde Auslandsgeschäft von Quelle soll jetzt schnell in einem eigenen Prozess verkauft werden. "Die internationalen Gesellschaften verfügen nach wie vor über stabiles Geschäft und sind solide, stabile und zuverlässige Partner bei Kunden wie bei Lieferanten", hieß es in der Mitteilung. Gleiches gelte für den Einkaufssender HSE24. Die Spezialversender sollen ihr Geschäft selbstständig weiterführen.

Vergeblicher Rettungskredit im Sommer

Görgs Sanierungskonzept sah vor, den Quelle-Flächenvertrieb teilweise aufzugeben und die Quelle-Technik-Center zu schließen. Geplant war auch ein Personalabbau von 10.500 auf knapp 7000 Stellen bis Januar 2010. Bis Ende September 2009 hatten der Mitteilung zufolge 600 Beschäftigte selbst gekündigt, für 2500 Mitarbeiter wurden Interessenausgleich und Sozialplan ausgehandelt.

Mit der Abwicklung von Quelle schlägt auch die vorübergehende Rettung fehl, die im Sommer für das Versandhaus gefunden wurde. Damals konnte ein Massekredit über 50 Millionen Euro gesichert werden, so dass Quelle die Geschäfte weiterführen konnte. Die öffentliche Debatte habe aber Kunden verunsichert, so Görg.

Am 9. Juni hatte der Mutterkonzern Arcandor   die Insolvenz für sich und die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle beantragt. Der Schritt traf das 1927 gegründete Traditionshaus Quelle mitten in einem tiefgreifenden Umbau, der bereits in den vergangenen Jahren zu scharfen Einschnitten geführt hatte. Das Unternehmen hatte die Bedeutung des Internets für den Handel erst spät erkannt. In den vergangenen Jahren erfolgte dann eilig eine strategische Neuausrichtung.

ssu/AFP/dpa/ddp